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Ahmad Schah Massoud[1]
Ahmad Schah Massoud wurde am 10.06.1332 (01.09.1953)[2] in Jangalak[3]/
Panjsher[4] als Sohn von Polizeioberst Dost Mohammad Khan geboren. Mit
5 Jahren wurde er in der Grundschule Bazarak eingeschult und beendete
dort die 2. Klasse. Aufgrund der Beförderung seines Vaters zum Polizeichef
und dessen Versetzung nach Herat besuchte er die 3. und 4. Klasse in
der dortigen Mowaffaq-Schule. Hier erhielt er auch Religionsunterricht
in der Moschee von Herat, der sogenannten Masjed-e-Jame[5].
Da sein Vater später nach Kabul versetzt wurde, beendete er die Mittel-
und Oberstufe auf der Isteqlaal-Schule in Kabul.
Seit seiner Kindheit galt er als außergewöhnlich begabt und bekam ab
der 10.Klasse auch die entsprechende Anerkennung seitens der Schule
dafür.
Persisch (Farsi-ye Dari) war seine Muttersprache. Neben fließendem Französisch
sprach er noch Paschto und Urdu, außerdem verfügte er über gute Arabischkenntnisse.
Massoud: "Für mich hat Norden, Süden, Persisch, Paschto absolut keine
Bedeutung. Wir können uns in unserem gemeinsamen Haus in jeder Sprache
unterhalten."
Er begeisterte seine Kameraden stets für Bildung und Sport. 1346/47
(1967/1968) stellte der damals vierzehnjährige Massoud die erste Volleyballmannschaft
in seinem Heimatdorf Jangalak auf. In den Sommerferien veranstaltete
er Volleyballturniere, bei denen die Jugendlichen aus Jangalak und den
Nachbarorten zusammenkamen.
Seine moderate, aufgeschlossene und disziplinierte Art machte ihn nicht
nur sehr beliebt, sondern auch zum Anführer seiner zahlreichen Freunde.
Massoud[6]: "Wir haben in Karte Parwan gewohnt, wo ich sehr gute Freunde
hatte. Wir waren ungefähr fünfzig bis sechzig Leute. Ich war damals
in der 7. Klasse des Lycée[7] Isteqlaal, als ich die Führung der Jungs
zu verantworten hatte."
Massoud hatte sehr viele Interessen für die er später jedoch kaum noch
Zeit hatte. Seine Lieblingssportarten waren Fußballspielen, Reiten,
Schwimmen und Karate.
Für die damalige Fußballmannschaft seines Wohnortes, die sich aus seinem
Freundeskreis zusammensetzte, spielte er auch noch die Rolle eines engagierten
Trainers. Außerdem war er ein leidenschaftlicher Schachspieler und Leser.
Zu seiner Lieblingslektüre in Prosa gehörten Reiseberichte und geschichtliche
Werke. Auch für Lyrik begeisterte er sich, besonders für die Werke von
Mowlaanaa Jalaluddin-e Balkhi[8], Sanayi Ghaznawi, Bedil und Hafiz.
Massoud: "Ich liebe die Gedichte von Hafiz. Ich lese sie immer wieder.
Sie verändern und inspirieren mich. Musik spricht die innersten Gefühle
der Menschen an. Poesie und Musik haben auf jeden Menschen ihre Wirkung."
1351 (1972) leitete er einen Mathematik-Nachhilfekurs namens "Arian"
in der Nähe seines Wohnortes, Baharestan-e Jami - einem Teil von Karte
Parwan in Kabul -, den er selbst auf die Beine gestellt hatte. Von diesem
Kurs profitierten nicht nur seine Klassenkameraden, sondern alle Schüler
in seinem Wohnort.
Auf die Frage, wie überhaupt sein Interesse für Politik geweckt wurde,
sagte Massoud:[9] "Mein Vater hatte viele Freunde, die sehr viel über
die politischen Geschehnisse wussten. Sie kamen zu uns nach Hause und
diskutierten miteinander vor allem über Welt- und Landespolitik. Es
war ganz natürlich, dass mich das geprägt hat. Diese Diskussionen und
Auseinandersetzungen haben auch auf die Zukunft hin ihren Einfluss gehabt.
Ich selbst wurde während der Zeit, als ich Schüler der 9. Klasse der
Isteqlaal-Schule war, das erste Mal politisch aktiv."
Die kommunistische Bewegung veranstaltete die ersten Aufstände in Kabuler
Schulen als Massoud in der 8. und 9. Klasse war. Da er jedoch seine
Überzeugungen mit dem Kommunismus nicht vereinbaren konnte, kam es hin
und wieder zu Problemen zwischen ihm und den kommunistisch gesinnten
Mitschülern. Um dieser Bewegung aktiv entgegenwirken zu können, blieben
dem unerfahrenen Massoud nicht sehr viele Möglichkeiten, denn die meisten
politischen Bewegungen in dieser Zeit waren zwar untereinander zerstritten,
jedoch im Grunde alle linksextremistisch. So wurde er auf die Islamische
Bewegung aufmerksam.
1352 (1973) nach der Zulassungsprüfung für die akademische Ausbildung
immatrikulierte sich Massoud seinen Interessen folgend beim Kabuler
Polytechnischen Institut für Ingenieurwesen und Architektur.
In diesem Jahr trat er offiziell der "Hezb-e Jamiat-e Islami" (Partei
der Islamischen Union) bei und machte Bekanntschaft mit Ing. Habib Rahman,
der einer der Vorreiter der islamischen Bewegung war.
In der Zeit der Herrschaft Daouds[10], den man für einen zu engen Freund
des Kommunismus und ergo der Sowjetunion hielt, entstanden die ersten
Pläne für einen Putschversuch unter dem Kommando von Ing. Habib Rahman,
zu denen auch Massoud seinen Teil beitrug. Diese Pläne wurden jedoch
aufgedeckt und Ing. Habib Rahman für 6 Monate inhaftiert. Massoud floh
aus Kabul.
Hekmatyar, der damals die bewaffneten Aktivitäten bei der Jamiat-e Islami
führte, war überzeugt vom Erfolg durch Terror. Dies schloss Bombenlegen,
Säureattentate und die Beseitigung unerwünschter Gegner durch gezielten
Mord ein. Schon damals zeigte Massoud seine Abneigung auch gegen den
islamischen Extremismus, dem einige in der Bewegung anhingen. Er war
ein absoluter Gegner solcher Aktivitäten. Er sah darin nur die Vernichtung
des einfachen Volkes, dem er eigentlich dienen wollte. Aufgrund dieser
Meinungsunterschiede kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen
ihm und Hekmatyar.
Ahmad Wali Massoud sagt über seinen Bruder[11]: "Er war auf jeden Fall
ein Moslem. Genauso war er ein gemäßigter Mensch. Ich will damit sagen,
dass er kein Extremist oder ähnliches war, weder im privaten noch im
sozialen und auch nicht im politischen Leben. Er glaubte fest an das
Funktionieren eines modernen gemäßigten Islam in Afghanistan. Er sagte,
dass die extreme Linke oder Rechte in Afghanistan gescheitert seien,
da diese die Bedürfnisse der Menschen außer Acht gelassen hätten. Deshalb
können wir Afghanistan nicht wie ein traditionelles moslemisches Land
regieren."
Bis 1353 (1973/1974) befahl die Hezb-e Jamiat Hekmatyar einen erneuten
Putsch. Dieser schlug ebenfalls fehl und endete mit der Festnahme hunderter
Studenten.
Massoud war ein fleißiger und zielstrebiger Student, der sich trotz
allem auf sein Studium konzentrierte. Sein Ziel war es, das Studium
erfolgreich zu beenden, um auf diesem Weg seiner Heimat und seinen Mitmenschen
dienen zu können.
Nach der Warnung seines Onkels, Militäroberst Abdul-Razaq Khan, eines
hohen Beamten in Daouds Regierung, man würde Massoud festnehmen lassen,
verließ der politisch engagierte Massoud das Polytechnik-Institut und
ging 1353 (1974) in Begleitung von Ing. Jan Mohammad zum ersten Mal
nach Pakistan.
Nach kurzer Zeit bekam Massoud die Anweisung, seine politischen Aktivitäten
in Kabul wieder aufzunehmen. Diese Aktivitäten, die darin bestanden,
die Regierungsstreitkräfte für sich zu gewinnen, dauerten bis 1354 (1974)
an, als der bewaffnete Widerstand im Panjsher stattfand. Die Hezb-e
Jamiat konnte mit dem 22-jährigen Massoud - trotz Verlusten - innerhalb
von ein bis zwei Stunden ganz Panjsher einnehmen und die Regierungskräfte
entwaffnen.
Massoud hatte von Hekmatyar die Zusage erhalten, dass, sobald einige
Punkte außerhalb Kabuls eingenommen wären, die Armee ausrücken würde
und dann in Kabul ein Militärputsch stattfände, aber Massoud und seine
Truppe waren verraten wurden, denn diese Information entsprach nicht
der Wahrheit, und so mussten die Widerstandskräfte in Panjsher aufgeben.
Nur einige konnten fliehen.
Massoud kehrte nach einem Monat unauffällig nach Kabul zurück und ging
von dort aus nach Peschawar /Pakistan, wo er sich im Untergrund aufhielt,
denn er wurde auch vom pakistanischen Geheimdienst beschattet.
Nach diesem Aufstand änderte sich die Stimmung in der Partei. Manche
befürworteten ihn, andere hielten diesen unkoordinierten Aufstand zu
diesem Zeitpunkt für einen Fehler, was zur Spaltung der Partei in zwei
Gruppen führte. Die Gegner - darunter auch Massoud - blieben bei Prof.
Rabani. Die Befürworter solcher Aufstände schlossen sich Hekmatyar an.
Mal kamen sich diese Gruppen näher, mal entfernten sie sich wieder voneinander,
bis sie sich zu einer Wiedervereinigung durchrangen und Qazi Amin Waqaad
zum Anführer beider Gruppen erklärten.
Hekmatyar verriet alle seine Widersacher an die pakistanische Regierung;
ließ sie verhaften und ermorden. Wie später bekannt wurde, war auch
Ing. Jan Mohammad einer dieser durch Hekmatyar Verratenen.
Hekmatyar und seine pakistanischen Mentoren, Kelo und Babor, ließen
Massoud, der sich damals im Hekmatyars Haus aufhielt, abführen. Als
Massoud den Ernst der Lage erkannte, bedrohte er die pakistanischen
Wachleute mit zwei Pistolen, die er immer bei sich trug und entkam;
er blieb jedoch offiziell bis zum Putsch des Zia Ullhaq in Pakistan.
Nach diesen Ereignissen nahm die Hezb-e Jamiat eigenständige Aktivitäten
auf. Dabei wurde Massoud wieder bis zum Putsch der Kommunisten im Jahr
1357 (1978) in Kabul eingesetzt. Von der Tatsache, dass sich Massoud
nicht ausschließlich in Pakistan befand, waren allerdings nur die engsten
Vertrauten benachrichtigt worden. Laut Auskunft eines seiner engsten
Freunde, hielt er sich auch in den östlichen Provinzen Afghanistans
auf, um der Kabuler Polizei nicht zu sehr aufzufallen.
Massoud ging nach Nooristan und in andere Gebiete, in denen der Krieg
gerade begonnen hatte. Er wollte sehen, wie die Einstellung der afghanischen
Bevölkerung zum Kampf war. Nachdem er sich von ihrer Entschlossenheit
überzeugt hatte, brach er 1358 (1979) (Einmarsch der Sowjetunion in
Afghanistan) mit einer Gruppe von 20 jungen Männern nach Panjsher auf.
In Konar, wo ihre Kameraden schon mit dem bewaffneten Widerstand begonnen
hatten, wurden sie sehr herzlich aufgenommen. Massouds Männer waren
spärlich bewaffnet und so bekamen sie ein paar Waffen geschenkt, die
ihre Kameraden in Konar den Soldaten abgenommen hatten. Trotzdem noch
immer höchst unzureichend bewaffnet, marschierte Massoud mit seiner
Gruppe weiter nach Panjsher, seiner Heimatregion.
Augenzeugen berichten, dass Massoud alle Dorfvorsteher der Region kontaktierte,
sich über die Bereitschaft der Menschen zu einem offenen Kampf, ihre
Bewaffnungsmöglichkeiten und die Zahl der Freiwilligen informierte.
Für Massoud und seinen Kampf zur Befreiung seines Heimatlandes und seines
Volkes aus Händen der fremden Macht waren die Menschen jeder Region
Panjshers zu allem entschlossen.
Betroffene berichten, dass obwohl Jung und Alt, Männer wie Frauen von
der Notwendigkeit eines gewaltsamen Widerstandes überzeugt und somit
auch zu einem offenen Kampf bereit waren, Massoud beim Aufstellen der
Freiwilligen darauf achtete, dass nicht der einzige Ernährer oder Versorger
einer Familie eingezogen wurde. Er sprach zu denen, die sich gemeldet
hatten und machte ihnen klar, dass die Versorgung ihrer Familien ebenfalls
ein notwendiger Bestandteil ihres Widerstandes sei. Denn ihr Gegner
war kein geringerer als eine Übermacht, vor der es alle Schwachen und
Hilfsdürftigen zu schützen galt; gerade auch die eigene Familie.
Noch einmal kam es zum bewaffneten Widerstand im Panjsher, diesmal unter
Führung Massouds. Der Kampf dauerte 40 Tage, während derer ganz Panjsher,
Salang und Bola Ghain von gegnerischen Truppen befreit werden konnte.
Nach diesen 40 Tagen wurde Massoud am Bein verletzt und den Kämpfern
gingen Waffen und Munition aus. Trotz 600 Mann aus Nooristan, die ihnen
zur Hilfe kamen, wurden sie schließlich von feindlichen Truppen besiegt.
So kehrte Massoud mit "Kaakaa" (Onkel) Tajuddin nach Panjsher zurück.
Dies machte Massoud nachdenklich und er entschloss sich zu einer neuen
Taktik, der Guerilla-Taktik. Massoud wurde der größte Guerilla-Kämpfer
unserer Zeit.
Robert D. Kaplan schreibt dazu in seinem Buch "The Soldiers of God"
aus dem Jahr 1991: "Man muss Ahmad Schah Massoud zu den größten Führern
der Widerstandsbewegungen im 20. Jahrhundert zählen. Massoud bezwang
seinen Gegner genau wie es Marshall Tito, Hu Chi Minh und Che Guevara
taten. Massoud kontrollierte ein größeres Gebiet, das aus militärischer
Sicht viel schwieriger zu halten und unter ständigem Beschuss durch
den Feind war. Das Gebiet, das unter seiner Kontrolle war, wurde im
Vergleich zu den Gebieten, die unter der Kontrolle der Widerstandsbewegung
von Marshall Tito, Mao Tse Tung, Hu Chi Minh und Che Guevara standen,
stärker durch den Feind angegriffen."
Von da an verband sich der Name Massouds mit dem Panjsher, und er ging
als der größte Widerstandskämpfer gegen die Rote Armee in die Geschichte
ein, denn den internationalen Beobachtern zufolge wurden über 60% der
gesamten Schäden und Verluste der Roten Armee durch Massoud verursacht.
So wurde er zum "Löwen von Panjsher" und brachte den Ruf der "Unbesiegbaren
Roten Armee“ zu Fall. Viele Menschen einfach "Amer Saheb" (Befehlshaber),
was gleichzeitig ihre Zuneigung wie auch ihren Respekt ausdrückte.[12]
Sebastian Junger schreibt[13]: „Ich fand es unmöglich, Massoud nicht
zuzuhören, wenn er sprach, obwohl ich kein Wort verstand. Ich beobachtete
alles was er tat, weil ich das Gefühl hatte, dass es irgendwie, in der
Weise wie er seinen Tee einschenkte, wie seine Hände Bögen in die Luft
beschrieben, während er sprach, ein Geheimnis zu lernen gab.“
Seine militärischen Erfolge und die Liebe der Menschen zu ihm brachten
aber auch sehr viel Neid und Hass anderer mit sich; vor allem Gulbuddin
Hekmatyar wurde sein erbittertster Feind.
Jeder seiner Feinde trachtete nach seinem Leben und versuchte alles,
um dieses Ziel zu erreichen. Sowjetische Behörden hatten ein Kopfgeld
auf ihn eingesetzt, doch dank seines reibungslos funktionierenden Nachrichtendienstes
wurde jeglicher Angriff vereitelt.
1358 (1979), als sein Bein schwer verletzt worden war, wurde Massoud
von Regierungstruppen belagert, doch er konnte – wenn auch äußerst knapp
– ihrem Zugriff entgehen.
1359(1980) konnte ein junger Soldat den Schutz der Dunkelheit nutzen
und aus 3m Entfernung auf Massouds vorbeifahrenden Wagen schießen. Massoud
sagte: "Landsmann, deine Hände zittern und du bist das Schießen nicht
gewöhnt", und ließ den unerfahrenen Soldaten laufen.
1361 (1983) hatten sowjetische Spezialtruppen die Ausgänge des Bergtunnels
bei Malaspa in Panjsher belagert. Doch Massoud konnte die Belagerung
durchbrechen und unauffällig entkommen.
1361/1362 (1983/84) - also im Jahr des Waffenstillstands - versuchte
die Sowjetunion mit zwei Taktiken Massoud zu ermorden. Die erste war,
ihn unter dem Vorwand von Verhandlungen und Gesprächen in eins ihrer
Lager in Onaba, einem Teil von Panjsher, zu locken, und ihn dann dort
festzunehmen, was durch einen tajikischen Dolmetscher vereitelt wurde.
Die zweite war, ihn durch seine Kameraden ermorden zu lassen. Die Russen
hatten einen Mujahed namens Abdul-Qader Naachaar, der für das Essen
zuständig war, bestochen, damit er Gift in Massouds Essen mischen sollte.
Doch er konnte rechtzeitig festgenommen werden. Dr. Najibullah, der
spätere Präsident und damalige Chef des Nachrichtendiensts der afghanischen
Regierung, wollte Massoud mit Hilfe seines früheren Schulkameraden Kamran
ermorden. Dr. Najibullah wusste um die freundliche und zuvorkommende
Art Massouds und auch um sein zwangloses Verhalten gegenüber Freunden,
denn er kannte Massoud seit seiner Jugend in Kabul. Kamran war der damalige
Kapitän der Fußballnationalmannschaft. Er ging nach Panjsher und hielt
sich ein paar Tage an Massouds Seite auf. Kamran begriff Massouds Kampf
und übergab ihm seine speziell schallgedämpfte Waffe, die er von der
afghanischen Regierung für das geplante Attentat auf Massoud bekommen
hatte. Kamran floh anschließend in die Bundesrepublik Deutschland und
bat um politisches Asyl.
1368 (1989) nach einer Zusammenkunft der Kommandeure der Shoraa-ye Nezaar
in Farkhar stellte Hekmatyars Hezb-e Islami den Mitgliedern der Shoraa
eine Falle und belagerte sie von allen Seiten. Dabei wurden Dutzende
der Mitglieder getötet, darunter sehr enge Freunde und Vertraute Massouds.
Zwar konnte Hekmatyar durch seinen Anschlag die von der Versammlung
geplante Großoffensive verhindern, Massoud jedoch, der das eigentliche
Ziel gewesen war, entkam.
1372 (1993), als sich die Fronten zwischen Massoud und dem Shoraa-ye
Hamahangi, unter der Führung Hekmatyars verhärtet hatten, wurde sein
Helikopter von feindlichen Jets (unter dem Kommando des Shoraa-ye Hamahangi)
angeschossen, doch der Pilot des Hubschraubers konnte notlanden. Nach
diesem Anschlag beschloss Massoud, auch selbst das Hubschrauberfliegen
zu lernen.
Im selben Jahr geriet er in der Gegend von Wazir Akbar Khan in Kabul
in einen Hinterhalt und geriet unter massives Feuer durch Dostums Milizen.
1361(1983), nach zwei Niederlagen der gesamten sowjetischen Streitkräfte
im Panjsher, erklärte sich der damalige Oberbefehlshaber der sowjetischen
Streitmacht dazu bereit, mit Massoud in Waffenstillstandsverhandlungen
zu treten. Dadurch hatte die Sowjetunion zum ersten Mal offiziell anerkannt,
dass die Mujaheddin[13], insbesondere Massoud, ernstzunehmende politische
Gegner waren. Dieser Waffenstillstand wurde von allen Experten als einer
der größten Triumphe des afghanischen Widerstands angesehen. Er hielt
ein ganzes Jahr.
Massoud zog den größten Nutzen aus diesem Erfolg und konnte zum ersten
Mal eine längere Reise in die Gebiete Nordafghanistans unternehmen.
Diese Reise war sehr erfolgreich und führte im Winter 1362 (1984) dazu,
dass Massoud alle Kommandanten der Widerstandskräfte, die verschiedensten
Parteien angehörten, in einem Rat, dem sog. "Shoraa-ye-Nezaar" (Kontrollrat),
vereinigen konnte. Sein Ziel war es, eine vereinte afghanische Politik
und Streitkraft zu schaffen, die sich nicht von den in den Nachbarstaaten
erschaffenen Parteien bevormunden ließ, denn die Mitglieder der Shoraa-ye-Nezaar
kämpften für das gemeinsame Ziel eines befreiten Afghanistans.
Obwohl die sowjetischen Angriffe auf Panjsher wieder begonnen hatten,
war Massoud überzeugt davon, dass Panjsher auch ohne seine Anwesenheit
unter Führung anderer Kommandeure erfolgreich Widerstand leisten konnte
und so überließ er Panjsher dem ehemaligen Staatsanwalt Abdul-Mahmood
Daqiq. Außerdem waren die Regionen Andaraab, Khost-e Fereng, Eshkamesh,
Nahrin und Keshm Festungen, die Massoud nach Vorbild Panjshers aufgebaut
hatte. Man nannte sie nun Panj Sher (Fünf Löwen).
1366 (1987) konnten auch die Provinzen Parwan und Kapisa dem Kommando
von Azimi überlassen werden; denn Massoud hatte im Gegensatz zu den
so genannten „Warlords“ in den von ihm kontrollierten Gebieten ein selbständiges,
demokratisch strukturiertes Verwaltungs-, Informations- und Organisationssystem
geschaffen. Dies ermöglichte den Menschen der einzelnen Regionen, selbst
über ihr Handeln zu bestimmen und ihm, sich der Vereinigung der gesamten
Widerstandskräfte zu widmen.
Massoud: „Die künftige Regierung sollte in direkten Wahlen durch die
Stimmen der gesamten Bevölkerung bestimmt werden. Männer wie Frauen
sollten daran teilhaben. Die einzige Regierungsart, die in der Lage
wäre, einen gesellschaftlichen Ausgleich der verschiedenen Ethnien zu
schaffen, ist die Demokratie“.
Massoud hatte ein Ordnungs- und Rechtssystem erschaffen, das in der
Geschichte Afghanistans einmalig war.
In den kontrollierten Gebieten war mit dem Einverständnis der hiesigen
Bewohner - bis zum Einmarsch in Kabul 1992 und danach bis zu Massouds
Tod - die Einfuhr und Einnahme aller Rauschmittel und Tabakwaren einschließlich
Zigaretten für jeden strikt verboten. Dies schloss auch den Anbau und
jede Art der Verarbeitung solcher Mittel ein und galt selbst für Kommandeure
und andere hochrangige Mitglieder.
Massoud[14]: "Zigaretten sind seit dem Beginn des Widerstandes gegen
die Russen verbannt - aus wirtschaftlichen Gründen. Die Leute rauchen
zu viel. Die Region gibt zu viel Geld für Zigaretten aus und die Menschen
essen nicht so viel wie sie sollten."
Eugen Sorg[15]: „In Ihrem Gebiet wird ebenfalls Opium angebaut. Wir
haben in den Dörfern Felder gesehen.“
Massoud: "In der Provinz Badachshan gibt es ein paar Kulturen. Ismaeliten
leben dort, eine islamische Sekte, die seit Jahrhunderten süchtig sind.
Sie pflanzen für den Eigenkonsum an. Aber wenn Sie nach Chay Ab ins
Gefängnis fahren, finden Sie dort Ghollam Salim, den Tycoon des Drogenhandels.
In einer einzigen Aktion beschlagnahmten wir bei ihm eine halbe Tonne
Opium. Jetzt sitzt er bereits das dritte Jahr im Gefängnis. Trotz all
seines Geldes und Einflusses."
1367 (1988) heiratete der 35-jährige Massoud ohne großes Aufsehen die
Tochter des Kameraden Kaakaa Tajuddin. Diese Tatsache wurde jedoch aus
Sicherheitsgründen lange Zeit geheim gehalten. Selbst seine ständigen
Begleiter haben dies erst Jahre später erfahren.
Die Tatsache, dass Massoud mit den Einmischungen des pakistanischen
Geheimdienstes ISI nicht einverstanden war und diese massiv bekämpfte,
führte dazu, dass er an verschiedenen Fronten zu kämpfen hatte, nämlich
gegen die Sowjetunion und die von ihr abhängige kommunistische Regierung
Afghanistans einerseits und andererseits gegen Pakistan und dessen Marionetten.
Massoud[16]: "Unsere Politik war stets, dass wir gute und freundschaftliche
Beziehungen zu allen haben. Aber wir haben unsere Unterwerfung niemals
akzeptiert und werden sie auch nie akzeptieren.“
Im Winter 1362 (1983/84) hielt die kommunistische Regierung Afghanistans
eine "Gerichtsverhandlung in Abwesenheit"[17] ab, bei der Massoud des
Hochverrats angeklagt wurde. Das Gericht erklärte ihn für schuldig und
verhängte das Todesurteil gegen ihn. Noch vor dem großen Angriff auf
Panjsher meldete die Regierung, dass "das Urteil des Gerichts vollzogen",
also Massoud getötet und "seine Gruppe vernichtet" worden sei. Dadurch
sollte die Moral der Anhänger Massouds unter der einfachen Bevölkerung
außerhalb Panjshers und insbesondere in Kabul gebrochen und Massoud
selbst für „vogelfrei“ erklärt werden. Massoud begriff, dass diese Aktionen
wohl weitreichende und massive Angriffe auf Panjsher mit sich bringen
würden. Nach eingehender Beratung mit den Vertretern jeder Region Panjshers
kam er zu dem Entschluss, dass eine völlige Evakuierung Panjshers innerhalb
kürzester Zeit die beste Lösung zur Vermeidung eines Massakers an der
Zivilbevölkerung sei.
Als im Frühjahr 1363 (1984) die Sowjetunion den großen Angriff auf Panjsher
plante, rief Massoud die Bewohner auf, das Tal vollständig zu evakuieren.
Die Liebe der Menschen zu Massoud und ihre Hingabe für den Widerstand
war so grenzenlos, dass sie bereit waren, dafür dieses unglaublich große
Opfer zu bringen.
Der Aufruf dieses Mannes genügte, um innerhalb von zwei Wochen über
130.000 Menschen, quasi die gesamte Zivilbevölkerung Panjshers, dazu
zu bringen, ihre Heimat zu verlassen. Sie hinterließen alles, was sie
sich durch Generationen mühevoll aufgebaut hatten. Dies war nicht nur
eines der größten Opfer des afghanischen Volkes, sondern auch passiver
Widerstand gegenüber der "allmächtigen" Roten Armee und einer der Gründe
für ihre spätere Niederlage.
Insgesamt wurde die Rote Armee von 1358-1367 (1979-1988) in Panjsher
achtmal besiegt. Die Niederlage der Sowjetunion war nicht nur eine Niederlage
in Afghanistan, sondern sie führte zum Zusammenbruch des gesamten sowjetischen
Systems und hatte die Befreiung der zentralasiatischen und der osteuropäischen
Staaten aus der Kontrolle Moskaus zur Folge. Dies veranlasste internationale
Autoren, wie z.B. Kaplan in seinem Buch "Soldiers of God" Massoud als
"den Sieger des kalten Krieges" zu bezeichnen. Kaplan schreibt:
"Bis er nicht gezwungen wird, entschließt sich Massoud nicht zum gewaltsamen
Kampf. Dies war seine Strategie während der 14 Jahre des Widerstands.
Mit seinem Sieg über das Najibullah-Regime bewies Massoud, wie sehr
sich die Planer und Strategen der amerikanischen Politik im Hinblick
auf Jihad[18] (im allg.) und die Verteilung ihrer Hilfe (an die beteiligten
Parteien) geirrt hatten. Das Geschick und die Erfahrung Massouds und
die aufopfernde Unterstützung der Menschen befähigten ihn, der Sieger
des kalten Krieges zu werden."
Dies schreibt auch den Fall der Berliner Mauer letztendlich Massoud
zu.
Nachdem der letzte sowjetische Soldat am 25.11.1368 (14.02.1989)[19]
Afghanistan verlassen hatte, trat der "Shoraa-ye- 'Aali-ye Farmaandehan-e
Arshad-e Jahadi Afghanistan" (Hoher Rat der Befehlshaber der islamischen
Widerstandskämpfer Afghanistans), den Massoud einberufen hatte, zusammen,
um Entscheidungen über die zukünftige Vorgehensweise in Afghanistan
zu treffen. Diese Versammlung fand am 17.07.1369 (09.10.1990) in Schah-Salim
in der Provinz Badakhshan statt.
Von dort aus ging Massoud auf eine kurze, aber damals sehr entscheidende
Reise nach Pakistan, um mit dem so genannten „Shoraa-ye Rahbari“ (Führungsrat)[20],
der zur Bildung einer neuen Regierung in Afghanistan gegründet worden
war, über die kommende Regierung zu beraten.
Obwohl er nur mangelhaft ausgerüstet, stets knapp an Waffen- und Munitionsnachschub
war und nur über bescheidene finanzielle Möglichkeiten verfügte, konnte
Massoud durch seine moderate Politik, die er nicht vom Fundamentalismus
bestimmen ließ, die Herzen der Menschen gewinnen, seinen Einflussbereich
stets vergrößern und bis 1371 (1992) dem kommunistischen Regime vernichtende
Schläge versetzen und schließlich Kabul befreien. Dies gelang ihm ohne
jegliche Hilfe der Nachbarstaaten.
Auch darum ging er als der "Held des afghanischen Widerstands" in die
Geschichte ein.
In einer seiner letzten Reden als Präsident erklärte Dr. Najibullah,
dass Massoud als ein Held des afghanischen Widerstands anzusehen sei.
Er sei bereit, seine Regierung ihm zu überlassen. Doch er wisse ganz
genau, dass Massoud keine Chance hätte, eine vernünftige Regierung auf
zubauen und zu führen, da Hekmatyar und der ISI dies nicht zulassen
würden.
Im Jahre 1371(1992) befand Massoud die Streitkräfte der Mujaheddin für
nicht regierungsfähig. Nach einer umfassenden Konferenz der politischen
Führung der Mujaheddin in Daalaan Sang / Panjsher kam er jedoch zu dem
Entschluss, dass der Sturz der Kabuler Marionettenregierung eine unausweichliche
Notwendigkeit sei, jedoch nicht zu diesem Zeitpunkt durchgeführt werden
sollte. Obwohl alle anderen mit diesem Plan einverstanden waren, stellte
sich Hekmatyar quer und wollte auf jeden Fall sofort in Kabul einmarschieren.
Durch ein Gespräch, das auch aufgezeichnet wurde[21], versuchte Massoud,
Hekmatyar davon zu überzeugen, nicht in Kabul einzumarschieren, da die
Regierung ohnehin kapitulationsbereit sei; jedoch vergebens.
Nachdem auch die letzten Stellungen der Regierung in Bagram gestürzt
waren, marschierten die Truppen Massouds am späten Nachmittag des 04.02.1371(24.04.1992)
in Kabul ein. Diese Aktion war eher gezwungenermaßen zustande gekommen.
Dieser Angriff wurde durchgeführt, um das Eindringen der Truppen Hekmatyars
in die Hauptstadt und die daraus folgende Gefahr für die Zivilbevölkerung
zu verhindern. Die Anhänger der Hezb-e Islami schafften es jedoch trotzdem,
in die Stadt einzudringen. Sie brachen die Tore aller Gefängnisse auf,
auch die der Vollzugsanstalten für Schwerverbrecher und Kriminelle.
Ministerien und ihre Ressourcen wurden geplündert und jede Akte vernichtet,
die zu finden war. Somit war der neuen Regierung schwerer Schaden zugefügt
worden, da wichtige Unterlagen fehlten. Außerdem gab es nun mehr als
Zehntausend schwer bewaffnete Kriminelle in Kabul; die freigelassenen
Gefangenen hatten die Militärdepots ausgeraubt. Es gab keine Armee,
keine Polizei, keinen Nachrichtendienst, nicht einmal intakte Gebäude
und Strukturen.
Dr. Najibullah, der damalige Präsident, hatte im Kabuler UN-Büro um
Asyl gebeten. Massoud ließ das Gebäude von seinen eigenen Truppen bewachen,
um Übergriffe auf Najibullah zu verhindern.
Bevor die Truppen Richtung Kabul marschierten, bekamen sie von Massoud
klare Anweisungen hinsichtlich ihres Verhaltens in Kabul. Er schwor
sie auf ihre Aufgaben, die sie als Soldaten und Beschützer der Kabuler
Bevölkerung zu erfüllen hatten, ein. Dabei war ihm besonders wichtig,
dass die Soldaten die Bevölkerung respektvoll behandelten und sich nicht
durch das Leben in Kabul von ihrer Aufgabe ablenken ließen.
Freunde Massouds, die um seine Popularität unter der Bevölkerung wussten,
baten ihn, selbst die neue Regierung zu bilden und zu führen. Obwohl
Kabul von Massouds Streitkräften umgeben war, übergab er die Verantwortung
an die politischen Führer und zog sich zurück, um niemandem Grund zur
Fortführung des Krieges zu geben.
Der Führungsrat ließ am 05.02.1371 (25.04.1992) - vor seiner Ankunft
in Kabul - Massoud durch eine Radiomeldung als den Präsidenten des Hohen
Rates der Befehlshaber "Shoraa-ye Farmaandehan" und Verteidigungsminister
ausrufen.
Der neue Präsident Mujadedi traf am 08.02.1371(28.04.1992) samt dem
Kabinett in Kabul ein. Dieser Sieg bedeutete nicht nur einen Sieg über
die Sowjetunion, sondern auch über den pakistanischen Geheimdienst ISI.
Der Sieg der Mujaheddin war eine politische Niederlage für die pakistanische
Regierung, weil sie schon immer auf Hekmatyar gesetzt und ihn gegen
Massoud unterstützt hatte.
Dies veranlasste den Iran, Pakistan und Usbekistan für die jeweils von
ihnen abhängige Partei mehr Macht in der Regierung einzufordern. Mit
den Einmischungen dieser Länder entflammte der Krieg in Kabul. Dieser
Krieg wurde jedoch von den jeweiligen Regierungen als "Bürgerkrieg"
aufgebauscht, um ihre Einmischungen in Afghanistan zu verschleiern.
Dies hatte auch die Sowjetunion schon so gehandhabt.
Pakistan änderte mit Hilfe verschiedener arabischer Staaten seine Taktik
der Einflussnahme. Der ISI erschuf die Taleban[22] und rüstete sie nun
mit der gesamten Macht der pakistanischen Armee aus. Genauso wie die
Stellungen der internationalen Terroristen wurden die Truppen der Taleban
über die Grenze nach Afghanistan in die südlichen Provinzen verlegt.
Das Dreieck aus Taleban, Pakistan und internationalen Terroristen wollte
aus Afghanistan einen sicheren Hafen für ihre dunklen Machenschaften
machen und dabei stand ihnen ein Mann entgegen: Ahmad Schah Massoud.
Bin Laden selbst war es, der dies zugab und meinte, solange dieser Mann
am Leben sei, sei kein Sieg möglich.
Auch Massouds Familie war ins Visier der kommunistischen Regierung geraten:
das Wohnhaus seiner Eltern war beschlagnahmt und zu einer Schule umfunktioniert
worden. Als Massoud nun wieder in Kabul war, beschloss er, das Haus
der Schule weiterhin zu überlassen[23].
1372 (1993) gründete Massoud die "Bonyad-e Farhangi wa Ta'wani Mohammad-e
Ghazali" (Die kooperative Mohammad Ghazali- Kulturstiftung[24]). Massoud
rief alle Wissenschaftler, Gelehrte, Autoren und Künstler ohne Berücksichtigung
der jeweiligen Ideologie auf, an dieser Stiftung teilzunehmen. Die Frauenkommission
dieser Stiftung ermöglichte den afghanischen Künstlerinnen - vor allem
auch Witwen - durch Handarbeiten ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Die Abteilung der Familienberatung war eine kostenlose Beratungsstelle,
die sieben Tage die Woche für Hilfsbedürftige zugänglich war.
Die Abteilung für Verteilung von Hilfsgütern dieser Stiftung war der
erste Ansprechpartner des Roten Kreuzes. Bei der Ausübung ihrer ehrenamtlichen
Tätigkeit kamen zwei Mitglieder durch Raketen der Hezb-e Islami ums
Leben. Die Ärzte dieser Stiftung behandelten zweimal die Woche halbtags
alle Patienten, die sich einen Arztbesuch nicht leisten konnten, kostenlos.
Die nötigen Medikamente bekamen sie gegen sehr geringes Entgelt oder
unter Umständen auch gratis von den zugehörigen Apotheken.
Nachdem "Matbo'a-ye Dawlatti" (Der Staatsverlag) durch die Hezb-e Islami
niedergebrannt worden war, wurden alle Zeitungen, Zeitschriften und
Wochenblätter in der Druckerei der Ghazali-Stiftung gedruckt. Massoud
wollte sichergehen, dass die Pressefreiheit selbst unter noch so schwierigen
Bedingungen gewährleistet war.
Obwohl Massoud selbst für die Finanzierung der Stiftung aufkam, mischte
er sich in ihre Arbeit nicht ein. Die Stiftung wurde durch einen Rat
bestehend aus Gol Mohammad Yama, Dr. Mahdi, Haidari Wojoodi, Azizullah
Ima, Dipl. Ing. Said Yaqoob Nawid, Rahim Rafat und Sher Mohammad Khara
unter Mitarbeit des international bekannten afghanischen Autors Wasef
Bakhtari geführt. Durch die Ghazali-Stiftung wurden Ausstellungen afghanischer
Künstler an verschiedenen Orten in Kabul ermöglicht. Zahlreiche Künstler
und Autoren wurden für ihre Werke ausgezeichnet; unter anderem auch
Ustad Zabardast und Azizullah Ahmadi für das beste Gemälde und Is'haaq
Nangyaal für die beste Lyrik in Paschto. Nangyaal war weder ein Befürworter
Massouds noch der Regierung. Die Jury jedoch bestand aus unparteiischen
Universitätsdozenten, die die Qualität der Werke zu ihrem Anliegen gemacht
hatten. Genau dies wollte Massoud den Künstlern ermöglichen. Es gab
auch Ausstellungen dieser Werke, um die Menschen auf die Kunst aufmerksam
zu machen.
Die Gründung dieser Stiftung war eines der bedeutendsten Werke Massouds
im Bereich der Kultur. Er wollte, dass kulturelle Werke fernab aller
politischer Ideologien eine gemeinsame Basis für die gegenseitige Verständigung
schaffen.
Die Gegner einer souveränen afghanischen Regierung hatten sich nun im
so genannten "Shoraa-ye Hamaahangi" (Rat der Harmonie), der von Iran,
Pakistan und Usbekistan geschmiedet worden war, zusammengeschlossen.
Am 11.10.1372 (01.01.1993) unternahm dieser Rat einen Putschversuch
gegen die neue afghanische Regierung. Massoud konnte als afghanischer
Verteidigungsminister diesen mit massivem militärischem Einsatz geführten
Putsch niederschlagen.
Hekmatyar wollte im Auftrag der pakistanischen Regierung eine "Konföderation
Pakistan-Afghanistan" unter pakistanischer Führung ausrufen. So wäre
Afghanistan zu einem Teil Pakistans geworden und hätte seine Selbständigkeit
verloren. Für dieses Ziel kämpfte Hekmatyar weiterhin mit allen Mitteln.
Die pakistanische Regierung beauftragte Hekmatyar, die Stadt Kabul unter
Raketenbeschuss zu nehmen. Diese energische militärische Unterstützung
und Einflussnahme durch Pakistan ging soweit, dass täglich bis zu 3.000
Raketen auf Kabul abgeschossen wurden, zehntausende Zivilisten ermordet
und die Stadt fast völlig zerstört wurde.
Währenddessen liefen noch Massouds unzählige Konferenzen, Verhandlungen,
Gespräche und Übereinkünfte mit den verschiedensten Parteien, Gruppen
und Allianzen, die durch Nachbarstaaten je nach Bedarf neu zusammen
gewürfelt wurden. Gegen so viele Feinde, die immer neue Punkte, wie
ethnische Zugehörigkeit, Sprache, Rasse oder regionale Sonderrechte
aufgriffen, die aber unter dem Vorwand, ihre Forderungen und Machtansprüche
gegen die Regierung geltend zu machen, nur ein Ziel verfolgten, nämlich
die Destabilisierung der Regierung, war selbst er machtlos. Trotz allem
hat er seine Bemühungen, einen friedlichen Ausweg zu finden, nicht aufgegeben.
Die Gegner Massouds führten militärische Großoffensiven, massive Raketenangriffe
und versteckten Psychoterror gegen die Zivilbevölkerung durch. Hekmatyar,
dessen eigener Vertreter als Ministerpräsident in Kabul tätig war, blockierte
alle Zugangsstrassen nach Kabul und schnitt somit die Versorgungswege
der Stadt ab. Solche erpresserischen Maßnahmen dienten zur Stärkung
der eigenen Position. Dass Hekmatyar und seine Leute Massoud als Grund
für ihren schmutzigen Krieg nannten, bedeutete für Massoud durch den
Rufmord an ihm einen zunehmenden Verlust an Rückhalt im Volk. Die Bevölkerung
Kabuls war nun belagert, ausgehungert, ausgebombt, mit Raketen beschossen
und lebte wie in einem Käfig voller bewaffneter Krimineller. In diesem
Chaos wurde von Massoud verlangt, Herr der Lage zu sein. Massoud versuchte
mit allen Mitteln, Hekmatyar dazu zu bringen, nicht auf die Zivilbevölkerung
der Stadt, sondern ausschließlich auf militärische Stellungen zu schießen.
Doch da Pakistan wusste, dass Massoud militärisch nicht zu besiegen
war, hielt die dortige Führung an ihrer menschenverachtenden Politik
fest.
Nach einem Jahr in diesem anarchistischen Zustand machte Hekmatyar den
Rücktritt Massouds als Verteidigungsminister zur Bedingung für das Ende
des Krieges. Massoud willigte ein, was jedoch keinesfalls ein Ende der
Angriffe seitens der Hezb-e Islami, Hekmatyars Partei, zur Folge hatte.
Nachdem Massoud das Amt des Verteidigungsministers niedergelegt hatte,
übernahm er die Führung der Streitkräfte gegen die drohende Invasion
der Terroristen aus dem Grenzgebiet zu Pakistan. Die Bemühungen Pakistans,
die Truppen Massouds zu vernichten, waren fehlgeschlagen.
Pakistan konnte durch Bestechung und Versprechungen sowohl einige Parteiführer
als auch Mitglieder der verschiedenen Gruppen für seine Sache gewinnen.
Dies führte zu Plünderungen, Raub, Entführungen und Vergewaltigungen,
was unter der einfachen Bevölkerung einem Rufmord am gesamten afghanischen
Widerstand gleichkam. Denn jeder, der in Kabul bewaffnet war, galt als
Massouds Mann. Man vergaß die politische Zugehörigkeit der Täter zu
verschiedenen Parteien und Führern.
Im Frühling 1373(1994) wurde eine Konferenz in drei Teilveranstaltungen
vereinbart. Beim ersten Treffen kamen Repräsentanten aus 15 verschiedenen
Provinzen Afghanistans zusammen; beim zweiten Mal schon aus 25 verschiedenen
Provinzen.
Vom 29.04.-03.05.1373(20.07.-25.07.1994) fand dann die Konferenz des
Hohen Islamischen Rates "Shoraa ye Aali Islami" als Schlussrunde dieser
drei Konferenzen statt.
Massoud hatte politische und kulturelle Persönlichkeiten, Gouverneure,
Kommandeure, Geistliche und Vertreter der Mujaheddin in diesem Rat zusammengeführt,
um über den zukünftigen Präsidenten und seine Aufgaben zu beraten und
um eine personelle Einigung zu erreichen. Massoud sah wie die meisten
Menschen in Afghanistan diese Konferenz als eine leise Hoffnung auf
Demokratie und freie Wahlen an.
Sein Favorit für die Kandidatur zur Präsidentschaft war Dr. Yosuf, der
erste demokratische Ministerpräsident unter Zahir Schah, dem früheren
König. Zur Vermeidung einer Einflussnahme auf diesen Rat wurde beschlossen,
dass der amtierende Präsident Prof. Rabani nicht zu dieser Konferenz
erscheinen sollte. Obwohl dies als eine Übereinkunft vorher entschieden
worden war, hielt sich Prof. Rabani nicht daran und nahm trotzdem an
der Konferenz teil. Dies führte dazu, dass der Einfluss des Präsidenten
und seiner fundamentalistischen Anhänger ein so erhebliches Ausmaß annahm,
dass keine Entscheidung über die zukünftige Präsidentschaft fallen konnte.
Währenddessen eroberten und erkauften sich die Taleban ein Gebiet nach
dem anderen, bis sie vor den Toren Kabuls standen. Sie eroberten ebenfalls
die Gebiete Hekmatyars, dem ehemaligen Schützling Pakistans.
Obwohl Massoud ein hohes Ansehen innerhalb des Führungsrates genoss
und seine ablehnende Haltung gegenüber Hekmatyars Ansichten klar waren,
musste er die Ankunft Hekmatyars in Kabul schweigend hinnehmen, da es
innerhalb der Regierung sehr viele Fundamentalisten gab, die durchaus
Hekmatyars Politik befürworteten. Diese hatten Hekmatyar, der sonst
alles verloren hatte, nach Kabul eingeladen, um endlich seinen Posten
als Premierminister wahrzunehmen, obwohl er all die Jahre alles getan
hatte um diese Regierung zu vernichten. So hatte Massoud auch Gegner
innerhalb des eigenen Lagers, gegen die er nicht ankam.
Anfang 1375 (1996) ging Massoud ohne Begleitung[25] nach Maydan-Shahr,
der früheren Hochburg Hekmatyars, um die Taleban, die durch Mullah Rabani
repräsentiert wurden, zur Beendigung des Krieges zu bewegen. Dort wurde
beschlossen, dass die Vertreter der Taleban nach Kabul kommen sollten,
um über die Gegensätze zwischen der Regierung und den Taleban und mögliche
Lösungen zu beraten. Dies geschah auch so und es wurde der Entschluss
gefasst, dass 40 Vertreter der Geistlichkeit seitens der Regierung zu
weiteren und umfassenderen Beratungen mit 40 Vertretern der Taleban
zusammen kommen sollten. Die Regierung erklärte immer wieder ihre Verhandlungsbereitschaft,
doch die Taleban reagierten nicht darauf. Stattdessen starteten sie
ihre Großoffensive gegen die Regierung und gegen Kabul.
Dass Massoud damals lebendig ihr Lager verlassen konnte, bedauerte die
Führung der Taleban sehr. Diese entgangene Gelegenheit, Massoud zu beseitigen,
bezahlte Mullah Rabani mit seinem Leben.
Als am 04.07.1375 (26.09.1996) die Stadt Kabul von verschiedenen Seiten
unter den massiven Beschuss der Taleban, Al Qaida[26] und Pakistans
geriet, befahl Massoud den Rückzug der gesamten Streitkräfte aus Kabul,
obwohl er militärisch durchaus in der Lage gewesen wäre, die Stadt durch
Straßenkämpfe endlos lange zu halten. Zum Schutz der Zivilbevölkerung
Kabuls zog er jedoch einen Rückzug nach Panjsher vor.
Hekmatyar, der jetzt keinen Rückhalt mehr beim ISI hatte und immer noch
offiziell der Ministerpräsident der afghanischen Regierung war, blieb
nichts anderes übrig, als in Panjsher unter der Führung von Ahmad Schah
Massoud Schutz zu suchen. Massoud ermöglichte ihm wie allen anderen
Ministern und Regierungsangehörigen freies Geleit ins Ausland. Hekmatyar
wurde mit Massouds Hubschrauber in den Iran ausgeflogen und behauptete
dann, Massoud habe vorgehabt, ihn in Panjsher durch einen Terroranschlag
umbringen zu lassen.
Der Widerstand des afghanischen Volkes unter Massoud, flammte in einer
Zeit, als alle, ob Freund oder Feind, den Rückzug für den unaufholbaren
Sieg der Taleban und das Ende des afghanischen Widerstands hielten,
von neuem auf. Als alle anderen Führer sich im Ausland aufhielten, kämpfte
das afghanische Volk - unabhängig von ethnischer, politischer, ideologischer
oder religiöser Zugehörigkeit - unter der Führung Massouds für ihre
Freiheit.
Als Massoud in einem Telefongespräch von seinem Bruder Ahmad Wali auf
Drängen der politischen Führer gebeten wurde, das Land zu verlassen,
sagte er: “Ist das gerecht, dass, als wir in Kabul waren und die Regierung
geführt haben, als die Menschen mit uns einverstanden waren, wir versprochen
haben, für den Schutz der Menschen, für die Verteidigung der Unabhängigkeit,
für Afghanistan und die Bevölkerung zu sorgen und jetzt, wo diese Menschen
in Schwierigkeiten sind, wollen wir sie verlassen? Ist das wirklich
Gerechtigkeit? Ich halte das für nicht gerecht. Ich werde bis zum letzten
Atemzug in diesem Land bleiben und Widerstand leisten. Ich bin davon
überzeugt, dass, so Gott will, Afghanistan eines Tages befreit werden
wird.“
Der fünfjährige Widerstand unter Massoud gegen Taleban, Bin Laden und
Pakistan war einer der beeindruckendsten Kämpfe der afghanischen Geschichte.
Massouds unvergleichliche Heerführung, taktische und strategische Überlegenheit
und sein politisches Können brachten ihm den Beinamen "Der Adler des
Hindukusch" ein.
Im Winter 1375 (1996) war Massoud in der Lage, alle Gegner der Taleban
unter seiner Führung in dem zuerst so genannten "Jabh-e Nejaat-e Melli
bara-ye Aazaadi Afghanistan" (Front der Nationalen Rettung zur Befreiung
Afghanistans) und später "Jabh-e Motahed-e Melli" (Nationale Vereinte
Front) zu vereinen.
Diese Vereinigung bestand nicht, wie es in den pakistanischen Medien
verbreitet und später im Westen übernommen wurde, aus einer "Nordallianz",
also nur den nördlichen Provinzen Afghanistans, sondern umfasste die
Vertreter der Widerstandskräfte aus allen Teilen des Landes. Die bekanntesten
Mitglieder der Vereinten Front waren: Haji Rahim, Kommandant Piram Qol,
Haji Mohammad Mohaqeq, General Dostum, Qazi Kabir Marzban, Kommandant
Ata Mohammad und General Malek aus den nördlichen Provinzen. Aus dem
Osten Haji Abdul Qadir, Kommandant Hazrat Ali, Kommandant Jan Daad Khan
und Abdullah Wahedi. Aus den nordöstlichen Gebieten waren Kommandant
Qatrah und Kommandant Najmuddin dabei. Aus den südlichen Provinzen nahmen
Kommandant Qari Baba, Noorzai und Hotak und aus den westlichen und südwestlichen
Provinzen General Ismail Khan, Doktor Ibrahim und Fazlkarim Aimaq an
dieser Vereinigung teil. Die Mitglieder aus Zentralafghanistan waren
Kommandant Anwari, Said Hussein Aalemi Balkhi, Said Mustafa Kazemi,
Akbari, Mohammad Ali Jawed, Karim Khaili, Kommandant Sher Alam und Prof.
Rassul Sayaf.
Also hat es eine Allianz, die ausschließlich aus Führern aus dem Norden
bestand, - was den Namen Nordallianz rechtfertigen würde - nie gegeben.
Durch solche Propaganda wurde der Anspruch des afghanischen Widerstandes,
ganz Afghanistan zu vertreten, in Frage gestellt und in Verruf gebracht.
In all den Jahren des Widerstandes gegen die Sowjetunion und später
gegen die Taleban und Al Qaida war Massoud für seinen humanen Umgang
mit den Gefangenen bekannt. Sie bekamen das gleiche Essen wie die Mujahedin,
durften sich innerhalb Panjshers frei bewegen, Besuch haben sowie Briefe
schreiben und empfangen.
Mullah Yar Mohammad, ein Führer der Taleban, sagte nach seiner Entlassung
aus der Gefangenschaft durch Massouds Truppen: „Massoud ist wahrlich
der Sohn der afghanischen Nation. Schon einmal stand er auf und kämpfte
und wieder erhebt er sich gegen einen ausländischen Invasoren und kämpft.“
1376 (1997) rief Massoud unter seiner Führung wieder eine Konferenz
zusammen, um über das Amt des zukünftigen Ministerpräsidenten zu entscheiden.
Abdul-Rahim Ghafoorzai, der keiner Partei angehörte, war der damalige
Kandidat und wurde ohne Gegenstimmen zum neuen Ministerpräsidenten gewählt.
Der neue Amtsinhaber und sein Programm wurden durch das Fernsehen in
Balkh bekannt gegeben. Sein Programm fand sehr viele Anhänger in weiten
Kreisen der Bevölkerung. Nach der gescheiterten Konferenz in Herat 1373
(1993) war dies wieder ein erster Schritt zu einer neuen volksnahen
Regierung.
Massoud ließ die afghanische Armee mit neu erworbenen Militäruniformen
ausstatten und stieß nach ein paar großen Offensiven bis zu den Toren
Kabuls vor. Jedoch stürzte genau zu diesem Zeitpunkt das Flugzeug des
neuen Ministerpräsidenten Ghafoorzai in Bamyan ab. Mit dessen Tod verlor
Massoud die Hoffnung auf Bildung einer stabilen Regierung in Kabul.
Nach einer Weile zog Massoud seine Truppen aus dem Norden Kabuls wieder
nach Panjsher ab, da er diesmal nicht vorhatte, in Kabul einzumarschieren,
ohne vorher eine für alle Seiten und vor allem für die Bevölkerung akzeptable
Regierung gebildet zu haben.
Nach dem Rückzug aus Kabul und dem darauf folgendem Flüchtlingsstrom
nach Panjsher, der die Anzahl der Bewohner Panjshers vervielfacht hatte,
konnte Massoud mit Hilfe internationaler Organisationen in ganz Panjsher
mehrere Schulen aufbauen, darunter auch einige Mädchenschulen. Zwar
waren die Mittel sehr knapp und die Unterbringung notdürftig, jedoch
war dies die einzige Möglichkeit, den Kindern Bildung zu ermöglichen.
Als Massoud von internationalem Terrorismus, Al Qaida und Bin Laden
sprach, konnte sich im Westen noch kaum jemand etwas darunter vorstellen[27].
Im Jahre 1377 (1998) schrieben Olivier Roy und Christoph De Ponfilly
in einem Aufsatz: "Massoud hat es nie verstanden, warum CIA und Pentagon
entschieden haben, seinen Feind Gulbuddin Hekmatyar im Kampf gegen ihn
zu unterstützen. Massoud träumte schon immer von einem vereinten und
gleichberechtigten Volk in Afghanistan und ebenfalls von freien Wahlen
in diesem Land."
Auf Drängen von Abgeordneten, die die Gelegenheit gehabt hatten, Massoud
zu begegnen und von seinen Ansichten und seinen Beweisen für die ausländischen
Einmischungen überzeugt waren, wurde Massoud im April 2001 vom Europäischen
Parlament nach Paris eingeladen, um auf seinen Kampf in Afghanistan
aufmerksam zu machen. Für seinen langjährigen Einsatz - vor allem für
die Rechte der Frauen - nannte ihn die Präsidentin des europäischen
Parlaments, Nicole Fontaine, einen „Pol der Freiheit“.
Roy & Ponfilly: "Ahmad Schah Massoud ist, im Gegensatz zu den heutigen
politischen Persönlichkeiten, auf keinen Fall auf der Suche nach einer
Aufgabe, der er nicht gewachsen ist. Es stimmt wohl, dass Massoud mit
denjenigen, die zu ihm kommen, auch spricht; er tut jedoch nichts, was
sie dazu veranlassen würde, zu ihm zu kommen. Massoud ist nur sehr schwer
dazu zu bewegen, mit den Medien zu reden. Er lässt zu, dass man ihn
filmt, da er nichts zu verbergen hat."
Massoud appellierte an alle Nationen, das afghanische Volk in seinem
Widerstand nicht allein zu lassen, denn falls Afghanistan gegen den
Terrorismus verlöre, verlöre die ganze Welt. Nur wenige Monate später
erwies sich, dass Massoud mit dieser Einschätzung richtig gelegen hatte.
Changiz Palewan: „Afghanistan ist dankbar für diesen Widerstand. Die
internationale Gemeinschaft ist dankbar für diesen Widerstand. Tatsächlich
ist die gesamte Region dankbar für diesen Widerstand. Jahrhundertelang
gab es keinen Anführer in der Region, der Einigkeit brachte. Es gab
niemand anderen; weder im Iran noch sonst wo. Afghanistan gab uns diesen
Jemand.“
Ahmad Schah Massoud wurde am 18.06.1380 (09.09.2001) in Khoaja-Bahauddin[28]
in der Provinz Takhar durch zwei ausländischen Selbstmordattentäter,
die sich als Journalisten getarnt hatten, ermordet. Am 24.06.1380 (15.09.2001)
wurde er auf dem Hügel von Saricha in Panjsher beigesetzt. Er selbst
hatte diesen Platz für seine Grabstätte ausgesucht. Insgesamt verbrachte
er 31 von 48 Jahren seines Lebens damit, seinem Land und seinem Volk
zu dienen und er wusste, dass er auf diesem Weg auch sein Leben lassen
würde.
Sebastian Junger bemerkt dazu: "Auch wenn Massoud die Niederlage der
Taleban nicht mehr erleben konnte, ist sein Krieg nun schließlich gewonnen."
Massoud hinterlässt eine Frau und sechs Kinder.
Posthum bekam er den Titel "Held der afghanischen Nation" durch die
afghanische Übergangsregierung verliehen.
Reza: "Das Leben ist schön, mein Freund. Daran glaube ich ganz fest.
Man kann einen Mann töten, seinen Körper zerstören, sein Fleisch vernichten,
aber man kann seine Gedanken nicht auslöschen."
Farzana
[1] Die Schreibweise ist sehr uneinheitlich gehandhabt; es gibt alle
Kombinationen aus den folgenden Möglichkeiten: Ahmad / Ahmed / Akhmad
/ Achmad/ Achmed, Shah / Schah / Chah/ Scheich, Massoud / Massud / Massood
/ Mas’ud.
[2] Laut dem Kalender „The Lion of AFGHANESTAN“, welches von dem Amt
für Kultur und Ausbildung der Shahid Ahmad Schah Massoud-Stiftung „Daftar-e
Farhangi wa Amozeshi Bonyad-e Shahid Ahmad Schah Massoud“ für das Jahr
1382 (2002/03) ausgegeben wurde.
[3] Auch als Dschangalak geschrieben.
[4] Auch als Pandscher / Pandschir zu finden.
[5] Ebenfalls als Jami geschrieben.
[6] Aus einen umfassenden Interview mit den Autoren Farzan und Ghiasi;
erschien unter dem Titel „Marde Ostuwaar wa Omedwaar ba Ofoq haaye Dur“
(Ein standhafter Mann, der auf ferne Horizonte hofft).
[7] Vergleichbar mit einem Gymnasium; als erste Fremdsprache wurde in
dieser Schule Französisch unterrichtet.
[8] Genannt auch Mowlaanaa Jalaluddin-e Balkhi Rumi, da er auch einige
Jahre in der heutigen Türkei verbracht hat.
[9] Aus dem Interview mit Farzan/Ghiasi.
[10] Erster Präsident Afghanistans von 1351-1357(1972-1978); schaffte
durch einen Militärputsch die Monarchie, die von seinem Vetter Zahir
Khan geführt wurde, ab. Die Schreibweise ist hier ebenfalls uneinheitlich;
auch als Dawood, Daood oder Dawud geschrieben.
[11] Aus einem Interview mit Brigitte Sommer; das vollständige Interview
ist auf www.afgha.com zu finden.
[12] Man darf nicht vergessen, dass solche Titel zuerst von den Bewohnern
selbst geprägt und erst später von Medien bzw. Autoren übernommen werden.
[13] Aus einer engl. Zeitung.
[14] Das ist die Pluralform des Wortes Mujahed. Auch geschrieben als
Mujahedin, Mujahideen, Mujahiddeen, Mudschahedin, Mudschaheddin, Mudschahidin,
Mujahidin. Im Wörterbuch lässt sich für diesen Wortstamm folgende Bedeutungen
finden: Bemühung, Anstrengung, Glaubenskampf, Bändigung der Leidenschaften,
Abtötung des Fleisches.
[15] Aus einem Interview mit Pepe Escobar.
[16] Das vollständige Interview erschien in der Frankfurter Rundschau
unter dem Titel „Das Vermächtnis des Löwen“.
[17] In einem Interview mit Payame Mujahid.
[18] Der Vorgang im Gerichtssaal wurde im Kabuler Fernsehen als Abendprogramm
ausgestrahlt. Es war keine Verhandlung, sondern vielmehr eine Verurteilung,
bei der das Ergebnis von vornherein fest stand.
[19] Geschrieben auch als Jehad oder Jahad; zu Bedeutung siehe Mujaheddin.
[20] Um den Abschiedsfeierlichkeiten für die russischen Soldaten keinen
Abbruch zu tun, erklärte die kommunistische Regierung, dass das islamische
Fest nach dem Fastenmonat Ramadan, das genau an diesem Tag anfiel, sich
um einen Tag nach hinten verschoben habe.
[21] An diesem Rat waren alle sieben Gruppierungen, darunter Hezb-e
Islami und Hezb-e Jamiat-e Islami, beteiligt. Es wurde beschlossen,
dass nach einer dreimonatigen Amtszeit von Mujadedi Prof. Rabani die
Präsidentschaft übernimmt und Hekmatyar als Premierminister dieser Regierung
fungiert.
[21] Das Gespräch wurde mehrere Male im afghanischen Fernsehen ausgestrahlt.
[23] Ein Taleb ist ein Schüler, der eine islamisch-theologische Ausbildung
anstrebt; die Mehrzahl sind die Taleban, auch als Talib bzw. Taliban
geschrieben.
[24] In dieser Schule wurden Kinder von der ersten bis zur achten Klasse
in zwei Schichten unterrichtet; sie hieß „Maktab-e Ebteda’yi Amir Scher
Ali Khan“.
[25] Mohammad Ghazali 450-505 (1058-1111); Schriftsteller, Theologe,
Philosoph und Sufi; sein berühmtestes Werk ist „Kimiya-ye Sa’adat“ (Das
Elixier der Glückseligkeit).
[26] Das war die Forderung der Taleban. Massoud ist darauf eingegangen,
um seine friedliche und kooperative Absicht zu zeigen.
[27] Al Qaida ist das Terrornetzwerk, welches von Osama bin Laden (geschr.
auch als Usama bin Ladin) gegründet wurde. Al Qaida bedeutet die Basis.
[28] Dagegen waren Länder wie Pakistan und die USA bemüht, Massoud dazu
zu bringen, seine Waffen an die Taleban zu übergeben und den Widerstand
aufzugeben. Im Gegensatz zum Einmarsch der Sowjetunion wurden die pakistanische
Invasion und der Einmarsch der pakistanischen Truppen in den westlichen
Medien nicht einmal wahrgenommen.
[29] Ebenfalls als Khodja Bahauddin oder Kwaja Bahuddin zu finden.
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